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Tilla Theiss | Forschung
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NACHHALTIGKEIT UND DESIGN

Über Nachhaltigkeit und Design als auch ihre Verbindung zueinander zu forschen bildet die Grundlage für den Großteil meiner Lehrinhalte. Ich werde kontinuierlich gefragt, wie die Verbindung zwischen den beiden Begriffen definiert werden muss, was mich in dem Glauben bestätigt, dass der Bedarf an Aufklärung immer noch recht hoch ist.

Nachhaltigkeit wird wahrgenommen als ein kurzfristiger Ökotrend, der als Marketingtrend eingesetzt wird, um den Verkauf an ökofreundlichen Produkten zu steigern. Die wahre Kernaussage von Nachhaltiger Entwicklung wurde jedoch 1987 von den Vereinten Nationen innerhalb des sogenannten „Brundtland-Reports“ formuliert: „Nachhaltige Entwicklung ist die Entwicklung, die die Bedürfnisse der jetzigen Generationen befriedigt, ohne die künftigen Generationen darin einzuschränken, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.“ Es geht also um eine international politisch angeordnete Maßnahme zum intergenerationalen Denken und Handeln, als Rückbesinnung auf einen menschlichen Instinkt, der über die letzten Jahrhunderte massiv vernachlässigt wurde. Die Anstrengungen der Nachhaltigen Entwicklung stehen in direkter Verbindung zum Fortbestand menschlicher Zivilisationen auf der Erde, die sich aufgrund des gedankenlosen Umgangs mit endlichen Ressourcen in großer Gefahr befindet.

Design auf der anderen Seite wird wahrgenommen als das oberflächliche Verschönern von sinnfreien Produkten und irreführender Botschaften. Der Marketing-Welt untergeordnet dürfen Designer innerhalb festgelegter Rahmen am Ende der Produktionskette vordefinierte Resultate verschönern. Doch dadurch, dass es sich um eine relativ junge Berufsrichtung handelt, scheinen die Bedingungen für die professionelle Auslegung des Berufes noch dynamisch und verhandelbar. „Jeder designt, der Vorgehensweisen ersinnt, die darauf abzielen, bestehende Situationen in präferierte Situationen umzuwandeln“, sagt der amerikanische Gesellschaftswissenschaftler Herbert A. Simon in seinem Buch The Sciences of the Artificial, im Jahre 1981. Also bezeichnet Design eine zielgerichtete Maßnahme zur prozessorientierten Lösungsstrategie bestehender Probleme, unabhängig von Marktanteilen und kurzfristigen Profiten.

Wenn man diese beiden Begriffe in ihrer Ursprünglichkeit zusammenführt, bergen sie eine starke Verbindung mit einem enormen Potenzial, eine positive Zukunft zu schaffen. Sie befinden sich sogar in einer Wechselwirkung, die – sich bisher abwärts drehend – auch ins Positive umgewandelt werden kann, sodass beide Seiten voneinander profitieren. Diese Wechselwirkung, ihre Vergangenheit, ihr Potenzial für die Zukunft als auch die Faktoren, die eingreifen müssen, um diese Wechselwirkung umzudrehen markiert das Zentrum meiner Recherche.

DAS NACHHALTIGKEITS-MESSINSTRUMENT

In diesem fortwährenden Forschungsprojekt entwickle ich ein Nachhaltigkeits-Messinstrument, welches die grundlegenden Faktoren der Nachhaltigkeit in visueller Form zusammenbringt. Es kann potenziell als dynamisches Gütesiegel eingesetzt werden, um über Produkte hinsichtlich ihres differenzierten Nachhaltigkeitshintergrunds verständlich aufzuklären.

Dieses Messinstrument basiert auf der Idee, die drei Aspekte des 3-Säulen-Modells (Gesellschaft, Ökologie und Ökonomie) mit den drei Aspekten des Life-Cycle-Assesments (Produktion, Konsum und Nachwirkung) in einer 3×3-Matrix zusammen zu führen. Die entstandenen neun Felder beinhalten jeden benötigten Faktor zur Evaluierung von Nachhaltigkeitsaspekten. So kann das Instrument als Prozesswerkzeug für Designer dienen, die Nachhaltigkeit in ihre kreativen Prozesse einbinden wollen.

Die Idee für dieses Forschungsprojekt entspringt meiner Master-Arbeit aus dem Jahr 2011. Nachdem ich während meines Auslandssemesters in Lappland im Herbst 2009 viel über Nachhaltigkeit und die Verbindung zu Design gelernt hatte, beschloss ich die Thematik in meiner Master-Arbeit zu vertiefen. Ich wollte definieren, was man als Designer berücksichtigen muss, dem Anspruch „nachhaltig“ zu designen gerecht zu werden. Nachdem ich viel zu dem Thema recherchiert hatte, fertigte ich eine Checkliste an. Später entdeckte ich, dass jeder Punkt der Checkliste sich irgendwo in der 3×3-Matrix platzieren ließ. Im Anschluss kann jedes der neun Felder einen anderen Wert zugeordnet bekommen gemäß der Einhaltung der Kriterien. Bei vier unterschiedlichen möglichen Werten für jedes Feld (100%, 66%, 33% oder 0%) ergeben sich für das Messinstrument 6561 Variationen (9 hoch 4).

Dieses Messinstrument könnte zur Aufklärung über Nachhaltigkeit beitragen, indem es die Vielfältigkeit des komplexen Themas differenziert visualisiert. Dieses Projekt nehme ich derzeit wieder gezielt auf, um die Matrix mit expliziten Daten zu füllen und mit bestehenden Messinstrumenten zu verbinden.

EN:VISION

Im Sommer 2016 beabsichtige ich meine Forschung über Lernprozesse zum Thema Nachhaltigkeit und Design weiter zu vertiefen. Bei einem einwöchigen Workshop in ausgewählten Städten der USA möchte ich Feldrecherche betreiben über die individuellen Lernprozesse und wie sie zusammengefasst und vereinfacht werden können. Ferner beabsichtige ich, ein Handbuch für Designer zu erstellen, an dem sie ihre kreativen Prozesse orientieren können. Dies könnte unter Umständen ein mehrjähriges Unterfangen mit mehreren Dozentenreisen dieser Art darstellen.